Nicht pulsatiler beidseitiger Tinnitus der sich bei Kopfdrehung nach links verstärkt bei einem Patienten mit Kompression der linken Nierenvene und der linken Vena jugularis interna
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Der 61-jährige Patient leidet seit 4 Jahren an kontinuierlich schwirrendem, beidseitigem Tinnitus Dessen Besonderheit darin besteht, dass sich die Lautstärke des Tinnitus bei Wendung des Kopfes nach links deutlich verstärkt. Außerdem besteht morgens eine verstopfte Nase.
Die funktionelle PixelFlux-Diagnostik erbrachte Hinweise auf eine zerebrale Kongestion durch das Zusammenwirken einer Kompression der linken Nierenvene und der Vena jugularis interna links.
Ein Tinnitus kann sich entwickeln, wenn venöses Blut aus dem Schädel schlecht abfließen kann [1] und der arterielle Einstrom unbeeinträchtigt ist.
Dies führt zu einer chronischen venösen Drucksteigerung im Schädelinneren [2], deren fassbarer Ausdruck die morgendliche Schwellung der Nasenschleimhäute ist. Dies tritt regelmäßig auf, wenn der Hirndruck zu steigen beginnt, da die Venen der Nasenschleimhaut über eine Anastomose zwischen der Vena angularis nasi und der Vena ophthalmica superior, die eine Verbindung zwischen der Vena facialis und dem Sinus cavernosus innerhalb des Schädels herstellt, Blut in das Innere des Schädels abgeben. Ist der venöse Druck im schädelinneren zu hoch, staut sich das venöse Blut in der Nasenschleimhaut wodurch die Patienten eine behinderte Nasenatmung empfinden.
Charakteristisch für Patienten mit Gefäßkompressionssyndromen ist die Tatsache, dass die Schwellung der Nasenschleimhaut etwa nach 1 Stunde nach dem Aufstehen verschwindet. Nachts kommt es bei Patienten mit abdominalen Gefäßkompressionen zur Verschiebung des gestauten venösen Blutes in den Spinalkanal wodurch der steigende Druck über den Liquor cerebrospinalis nach intrakraniell weitergeleitet wird und die intrakranielle Drucksteigerung zur Kompression der intrakraniellen Venen führt.
Intrakranielle Druckschwankungen in Abhängigkeit von der Körperlage lassen sich auch bei Gesunden nachweisen. Bei Patienten mit einer Störung des venösen Abflusses aus dem Schädel aber machen sie sich klinisch bemerkbar, zu Beginn durch die Verschwellung der Nasenschleimhaut.
Später treten dann nach meiner Erfahrung mit solchen Patienten regelmäßig Kopfschmerzen und nicht selten funktionelle Störungen des Hirnstamms wie Schnarchen durch Erschlaffen des Gaumensegels (Innervation durch den 9. und 10. Hirnnerven), nächtliches Zähneknirschen (Innervation der Kaumuskulatur durch den 5. Hirnnerven), motorische Sprachstörungen (Innervation der Zunge durch den 12. Hirnnerven)
In diesem Zusammenhang ist interessant, die Lage der Hirnnervenkerne in Erinnerung zu rufen:
| Hirnnerv |
Name |
Lage im Hirnstamm |
| III |
N. oculomotorius |
Mittelhirn (Mesencephalon) |
| IV |
N. trochlearis |
Mittelhirn (Mesencephalon) |
| V |
N. trigeminus |
Mittelhirn, Pons, Medulla oblongata, Rückenmark |
| VI |
N. abducens |
Pons (Brücke) |
| VII |
N. facialis |
Pons (Brücke) |
| VIII |
N. vestibulocochlearis |
Pons / Medulla oblongata |
| IX |
N. glossopharyngeus |
Medulla oblongata (verlängertes Mark) |
| X |
N. vagus |
Medulla oblongata (verlängertes Mark) |
| XI |
N. accessorius |
Medulla oblongata & oberes Rückenmark |
| XII |
N. hypoglossus |
Medulla oblongata (verlängertes Mark) |
Die Tabelle zeigt, dass die für die oben erwähnten Symptome verantwortlichen Hirnnervenkerne in der Medulla oblongata lokalisiert sind, dem am tiefsten liegenden Teil des Hirns.
Sowie sich bei den abdominalen und pelvinen venösen Kompressionssyndromen das venöse Blut am tiefsten Punkt des Rumpfes, dem kleinen Becken und am tiefsten Punkt der Beine, den Füßen sammelt, so bietet die hintere Schädelgrube mit der Medulla oblongata eine ähnliche Barriere wie der knöcherne Beckenring, die das weitere Absinken von venösem Blut zwar nicht völlig ausschließt aber doch behindert. Dies kann dazu führen, dass bei intrakranieller Druckbelastung der Venen des Hirns sich das Blut bevorzugt im Bereich der hinteren Schädelgrube sammelt und dort zu Funktionsstörungen der Hirnnervenkerne führt, die in der Medulla oblongata dem am tiefsten liegenden Hirnanteil der hinteren Schädelgrube, gelegen sind [3, 4].
Dies ist eine Deutungsmöglichkeit für die Entstehung auch von Funktionsstörungen des Hörnerven, des 8. Hirnnerven (Nervus vestibulocochlearis). Funktionelle Störungen hier können zu Tinnitus führen. Daher kann der Tinnitus in diesen Fällen vermindert werden, wenn die venöse Stauung des Hirns beseitigt oder reduziert wird.
Eine solche Situation setzt jedoch voraus, dass der venöse Abfluss aus dem Schädel genau gemessen werden kann. Das ist mit den üblichen diagnostischen Verfahren (extrakranielle und transkranielle Sonografie, CT und MRT) nicht möglich.
Dies ist der rationale Hintergrund für die quantitative Bestimmung des venösen Abflusses aus dem Schädel durch 4D-PixelFlux Volumenfluss -Messungen der Vena jugularis interna. Die Vena jugularis interna ist der bedeutendste Drainageweg des Hirns. Kompressionen dieses Gefäßes kommt daher eine besonders große Bedeutung zu. Die beiden weiteren Drainagewege sind die Venae vertebrales und der Venen des Plexus epiduralis. Diese Drainagewege aber werden durch die knöchernen Strukturen der Wirbelsäule begrenzt. Die Venae vertebrales verlaufen in den Knochenringen der Seitfortsätze der Halswirbelkörper und können sich daher bei vermehrtem Volumenangebot nicht bedeutsam erweitern. Auch die Venen des Plexus epiduralis können sich nicht frei ausdehnen, da sie im knöchernen Wirbelkanal liegen.
Wird daher die Vena jugularis interna erheblich komprimiert, können die beiden anderen Abflusswege an Kapazitätsgrenzen kommen.
Wenn nun aber der Plexus epiduralis durch Einspeisung von Blut aus der linken Nierenvene beim Nußknackersyndrom oder der linken Beckenvene bei May-Thurner-Syndrom schon prall gefüllt ist und statt Blut aus dem Schädel abzuleiten Blut dem Schädelinneren zuführt, dann kann die Kompression der Vena jugularis interna besonders leicht zu klinischen Symptomen führen.
Ich beschreibe hier am Beispiel eines nicht-pulsatilen Tinnitus, der bei Kopfdrehung nach links an Lautstärke zunahm, wie die quantitative Perfusionsmessung der beteiligten Venen Hinweise auf die Entstehung des Tinnitus geben kann.
Der Patient hatte eine hochgradige Kompression der Vene jugularis interna links.
Die rechte Jugularvene war ebenfalls komprimiert, jedoch offenbar in geringerem Ausmaß.
Sowohl die Kaliberreduktion der Vene als auch die Flussbeschleunigung war auf der linken Seite deutlich stärker als rechts.

Eine wesentlich fundiertere Aussage erhält man mit Volumenflussmessungen. Diese beschreiben die Funktion eines Gefäßes-den Transport eines bestimmten Blutvolumens-adäquat, wohingegen Beurteilungen des Gefäßdurchmessers und der Flussgeschwindigkeit nur vage Hinweise auf einen gestörten Volumentransport geben können. Gefäßdurchmesserbestimmungen bei Venen sind besonders problematisch, da die Venen oft nicht rund und am Hals nicht einmal oval sind und sich darüber hinaus mit der Atmung oder mit der Körperhaltung beziehungsweise durch den Puls der benachbarten Arterien ständig ändern. Einfache Durchmesserbestimmungen der Venen sind daher unbrauchbar.
Auch die Bestimmung der Flussgeschwindigkeit allein ist nicht verlässlich. Die Flussgeschwindigkeit hängt von Blutangebot und vom Druckgefälle an der Engstelle ab. Bei gleicher Einengung eines Gefäßes kann bei reduziertem Blutangebot-zum Beispiel nach Entwicklung von Kollateralvenen-die Flussbeschleunigung geringer ausfallen als bei Fehlen von Kollateralkreisläufen.
Daher ist die vierdimensionale PixelFlux -Blutvolumenperfusionsmessung eine wesentliche Verbesserung zu den etablierten Verfahren in der Dopplersonographie, im CT und in der MR-Angiographie.



Bei diesem Patienten zeigte die 4D- PixelFlux -Blutvolumenflussmessung der Jugularvenen eine drastische Veränderung auf der linken Seite, sobald der Patient nach links blickte. Dies war genau jene Situation, die beim Patienten die Lautstärke des Tinnitus deutlich erhöhte.

Außerdem konnte mit PixelFlux- Messung der Nierenperfusion gezeigt werden, dass die Veränderung der Kopfhaltung mit Blick nach links eine deutliche Reduktion der Durchblutung der linken Niere zur Folge hatte.
Die Farbduplexsonographie zeigte eine Nussknackerkonstellation der linken Nierenvene.
und eine Beckenstauung mit umgekehrtem Blutfluss in der linken inneren Beckenvene:

In der Farbduplexsonografie ließ sich eine kräftige venöse Verbindung von der Wirbelsäule zur linken Nierenvene darstellen-ein kräftiger Tronc réno-rachidièn. Dieses Gefäß dient dem Druckausgleich zwischen der Nierenvene und dem Plexus epiduralis. Die Tatsache, dass bei normaler Kopfhaltung bereits die Durchblutung der linken Niere deutlich hinter der der rechten zurück blieb ist ein Ausdruck des Unvermögens der Kollateralkreisläufe, das gestaute Nierenvenenblut aus der linken Nierenvene ausreichend abzuleiten.

Zu diesen Kollateralkreisläufen zählte wegen der Kommunikation der Nierenvene über den Tronc réno-rachidièn auch der Plexus epiduralis.
Wenn nun die Kopfdrehung nach links eine plötzliche Verschlechterung der Nierendurchblutung der linken Niere zur Folge hat ist dies unmittelbarer Ausdruck der zusätzlichen Einschränkung des Kollateralkreislaufes über dem Plexus epiduralis. Dieser Einschränkung kann erklärt werden durch eine Drucksteigerung im Plexus epiduralis die offensichtlich durch die Kopfdrehung nach links ausgelöst wurde. Da die Kopfdrehung nach links in der 4D PixelFlux Messung eine erhebliche Minderung der Durchblutung der Vena jugularis interna links nachwies, kann geschlussfolgert werden, dass Blut, welches bei Kopfwendung nach links nun nicht mehr über die linke Jugularvene zum Herzen abfließen konnte, den Ausweg über den Plexus epiduralis nehmen musste. Dies führt zu einer erheblichen Drucksteigerung im Spinalkanal durch die zusätzliche Blutmenge, die sonst über die Jugularvene abgeflossen wäre. Infolge des intraspinalen Druckanstiegs kommt es dann zur weiteren Verschlechterung der Nierendurchblutung links, da die linke Niere nun eines Teils der Kapazität ihrer Umgehungskreisläufe beraubt wird.
Auf diese Weise können die funktionell bedeutsamen Zusammenhänge der verschiedenen Venen im Körper von Kopf bis ins Becken und in die Beine dargestellt und quantitativ beschrieben werden. Dies kann bei der Einschätzung der Herkunft der Beschwerden und bei der Beratung zur Therapie einen wesentlichen Beitrag leisten.
Literatur:
- Wei, H., et al., Cerebral venous congestion alters CNS homeostatic plasticity, evoking tinnitus-like behavior. Cell Biosci, 2024. 14(1): p. 47.
- Williams, H., The venous hypothesis of hydrocephalus. Med Hypotheses, 2008. 70(4): p. 743–7.
- Zhou, D., et al., Understanding jugular venous outflow disturbance. CNS Neurosci Ther, 2018. 24(6): p. 473–482.
- Zhou, D., et al., Clinical Characteristics and Neuroimaging Findings in Internal Jugular Venous Outflow Disturbance. Thromb Haemost, 2019. 119(2): p. 308–318.