Wadenkräpfe bei Kompressionssyndrom der Beinarterie am Beckenausgang
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Eine aufrechte Haltung bewirkt aufgrund der Anatomie des menschlichen Hüftgelenks eine Kippung des Beckens nach vorne. Bänder schränken eine Streckung der Hüftgelenke ab einem Winkel von etwa 45° ein, der geringer ist als die volle Streckung. Dies wurde von meinem Vater, Dr. Manfred Scholbach, entdeckt, der über die so genannte Streckhemmung der Hüften von Neugeborenen forschte. Er beschrieb zum ersten Mal, dass bei Neugeborenen der Oberschenkelknochen immer einen Winkel von etwa 90-130° mit der Horizontabene bildet, wenn die Babys auf dem Rücken liegen. Eine passive Streckung der Hüfte eines Neugeborenen, um den Oberschenkelknochen parallel zur Unterlage auszurichten, führt unweigerlich zu einer Kippung des gesamten Beckens nach vorn und damit zu einer Anhebung des Kreuzbeins und der kaudalen Lendenwirbelsäule. So bewies er, dass eine vollständige Streckung der Hüfte erreicht wird, wenn der Oberschenkelknochen in Rückenlage einen Winkel von etwa 45° mit der Horizontalen bildet.

Erst später im Kindesalter, bei Laufenlernen, erwerben Kinder die Fähigkeit, ihre Oberschenkel in Richtung der Wirbelsäule auszurichten. Dies erfordert jedoch eine Kippung des Beckens nach vorne. Diese Kippung ist neben der Wirkung der Schwerkraft auf die aufrechte Wirbelsäule für die Lendenlordose der menschlichen Wirbelsäule verantwortlich, die kein angeborenes, sondern ein erworbenes Merkmal der menschlichen Anatomie ist.

Der Bewegungsumfang des Hüftgelenks des Menschen ähnelt dem der Vierbeiner. Die Beobachtung eines laufenden Hundes oder eines Pferdes veranschaulicht die oben erläuterte Forschung. Diese Tiere heben die Hinterbeine auch bei vollem Tempo nie in die Horizontale. Dies entspräche aber dem Erreichen einer vollen Hüftstreckung, wie sie für Menschen jenseits des ersten Lebensjahres typisch ist.

Die volle Hüftstreckung, die daher eine Überstreckung ist, zieht also die Blutgefäße und Nerven an der Vorderseite des Oberschenkels mehr oder weniger straff über das Schambein. Würde der Mensch auf 4 Beinen gehen, wie es Vierbeiner tun, würde eine solche Dehnung der Gefäße nicht eintreten.

Ich zeige im Folgenden die bislang (11.09.2021 in der Literatur meines Wissens noch nie beschriebenen Auswirkungen einer pathologischen Dehnung der Oberschenkelarterie über das Schambein an einer 87-jährigen Patientin, die eine schmerzhafte Verringerung ihrer Gehstrecke entwickelte. Nach etwa 500 m klagte sie regelmäßig über Schmerzen in der rechten Wade, die sie veranlassten, sich hinzusetzen und auszuruhen. Manchmal traten schmerzhafte Muskelkrämpfe auf, manchmal entwickelte sich nur ein dumpfer Schmerz. Es gab keine Schwellung des Beines und keine Verfärbung, weder eine bläuliche noch eine blasse.

Wiederholte Untersuchungen des Elektrolytstoffwechsels, Blutdruckmessungen in beiden Beinen und die neurologischen Untersuchungen ergaben keine Auffälligkeiten.

Die sonografischen Blutflussmessungen im rechten und linken Bein sowie in der Aorta und den rechten Beckenarterien ergaben in Rückenlage mit gestreckter Hüfte eine gedämpfte Pulswelle im gesamten rechten Bein. Weder in der Aorta noch in den Iliacalarterien auf der rechten Seite war eine Stenose (Einengung) vorhanden. Auch in den rechten Oberschenkel-, Kniekehlen- und Schienbeinarterien sowie in den Arterien des rechten Fußes konnten keine stenotischen, arteriosklerotischen Veränderungen nachgewiesen werden.

Normales Flussmuster in der Arteria iliaca externa rechts mit steilem systolischem Puls Wellenanstieg. Damit kein Hinweis auf Arteriosklerose oder Stenose in der Beckenarterie oder der Aorta

Auch in der Arteria iliaka communis rechts findet sich ein unauffälliges Flussmuster.

Beeindruckend war jedoch, dass das Blutflussvolumen in der Dorsalarterie des linken Fußes 29 mL/min betrug, während es im rechten Fuß in Rückenlage bei gestreckter Hüfte nur 9 mL/min erreichte.

In der Arterie auf dem Fußrücken rechts zeigt sich eine drastische Reduktion des Flussvolumens auf 9,32 ml/min wobei die diastolische Flussgeschwindigkeit vergleichsweise hoch ist. Dies weist auf die ausgeprägte Ischämie hin. Die Gefäße versuchen durch eine Weitstellung die verbliebene Sauerstoffmenge bei drastischer Durchblutungsstörung auszuschöpfen.

 

In der Fußrückenarterie des linken Fußes findet sich eine wesentlich stärkere Gesamtperfusion mit 26,6 ml/min. Da keine Ischämie besteht ist die diastolische Durchblutung relativ gering.

Nach Beugung der Hüfte und Aufsetzen des rechten Fußes flach auf die Untersuchungsliege normalisierte sich das Blutflussmuster im rechten Bein und damit auch das Blutflussvolumen im rechten Fuß.

 

Das Blutflussmuster in der rechten Oberschenkelarterie zeigt nur einen sehr langsamen Anstieg der Flussgeschwindigkeit vom Beginn bis zum Höhepunkt der Zyste. Dieser dauert 209 ms aufgrund der Dämpfung der Pulswelle durch das Schambein, das die rechte Oberschenkelarterie fast vollständig zusammendrückt.

Nach Beugung der Hüfte verbessert sich das Blutflussmuster in der Oberschenkelarterie sofort. Die Zeit bis zum Erreichen der Spitze der systolischen Welle verkürzt sich von 209  auf nur 44 ms. Dies ist ein deutliches Zeichen für die variable Dekompression und Kompression der Arteria femoralis durch das Schambein, abhängig von der Stellung des Hüftgelenks.

Eine variable Kompression der rechten Oberschenkelarterie durch das Schambein konnte als Ursache für die gestörte arterielle Durchblutung des gesamten rechten Beines bei Körperhaltungen mit gestreckter Hüfte nachgewiesen werden.

Das Flusssignal veränderte sich signifikant von einem normalen Signal oberhalb des Schambeins auf der rechten Seite zu einem langsam ansteigenden systolischen Blutfluss mit einer verminderten Höhe der maximalen Flussgeschwindigkeit unterhalb des Schambeins in den Arterien des rechten Beins, solange die Patientin ihre Hüften streckte.

Dies entsprach sehr gut ihrer klinischen Beschreibung einer schmerzhaften Verringerung ihrer maximalen Gehstrecke. In aufrechter Haltung war die Durchblutung der rechten Wade auf ein Drittel der linken Wade reduziert. Dies führte zu einer Ischämie (Minderversorgung mit Sauerstoff), erkennbar an einer relativ erhöhten diastolischen Flussgeschwindigkeit, die die Weitstellung der Gefäße zur Ausschöpfung der Sauerstoffreserven signalisierte. Die Ischämie verursachte Muskelkrämpfe und Schmerzen beim Gehen.

Da beim Sitzen die Hüfte gebeugt wird, kommt es zu einer Wiederherstellung des Blutflussvolumens und die Schmerzen lassen nach.

 

Nach Beugung der Hüfte ist das Blutflussvolumen in der rechten Hüfte und im gesamten rechten Bein plötzlich fast normal: 20,8 ml/min im Vergleich zu 26,6 ml/min auf der linken Seite.

Nur eine quantitative Flussvolumenmessung konnte das wahre Ausmaß der variablen Kompression der rechten Oberschenkelarterie darstellen, die das gesamte Blutflussvolumen auf ein Drittel reduzierte. Einfache Flussgeschwindigkeitsmessungen würden den Grad und damit die klinischen Auswirkungen dieses besonderen mobilen arteriellen Kompressionssyndroms erheblich unterschätzen.

 

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